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Die Kleinstadt Niesky verfügt als ehemaliger Standort der Christoph & Unmack AG, des einst größten und innovativsten industriellen Holzbauunternehmens Europas, über ein umfangreiches baukulturelles Erbe: dies sowohl in Form von erhaltenen Holzbauten der Architekturmoderne aus hiesiger Produktion als auch in Form der in Teilen erhaltenen Fabrikliegenschaften und -gebäude. Als Hersteller von Holzbaracken und auch als Rüstungsbetrieb (in den weiteren Unternehmensabteilungen Stahl- und Maschinenbau sowie Waggonbau) gehörte C & U aber auch zu den staatlich protegierten Großunternehmen Deutschlands in der NS-Zeit. So saß zum Beispiel der Leiter des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes Oswald Pohl (1892-1951), eine der zentralen Figuren des Unterdrückungssystems und des systematischen Massenmordes der SS, zeitweise im Aufsichtsrat der Firma.

Nicht nur die heutigen Eigentümer der Holzbauten aus Nieskyer Produktion, sondern viele Menschen in Niesky und in der Region tragen gern den Stolz auf die Holzbaugeschichte nach außen. Das Gleiche gilt für die Angehörigen und ehemaligen Mitarbeiter des Stahlbaus und des Waggonbaus, die sich ebenfalls auf die Tradition am Standort berufen. Die Zeit des Nationalsozialismus wird dabei aber zu wenig reflektiert. Insbesondere der Holzbau soll als Zukunftsthema in der Baubranche auch verstärkt wieder in Niesky eine Rolle spielen. Die Stadt und die Akteure möchten mit dem Traditionsstandort werben und zugleich auch die erhaltenen, teilweise denkmalgeschützten, oftmals aber ungenutzten Industriebauten in Wert setzen. Dies soll aber nicht ohne eine Aufarbeitung der Geschichte und ohne eine Strategie für den Umgang mit den Aspekten dieser Geschichte geschehen, die einen sensiblen Umgang erfordern. Das betrifft vor allem die hier tätig gewesene FOKORAD:

In den 1930er Jahren wurde die „Forschungs- und Konstruktionsgemeinschaft der Reichsleitung des Reichsarbeitsdienstes und der Deutschen Holzbau-Konvention“, kurz: FOKORAD, in Niesky gegründet. Ihre Aufgabe war es, genormte Holzbaracken zu entwickeln und für diese Typenblätter und Konstruktionszeichnungen herauszugeben, nach denen mehrere hundert Holzbaubetriebe im Deutschen Reich Baracken produzierten. Die Firma Christoph & Unmack war dabei nicht nur Versuchsbetrieb, sondern brachte maßgeblich ihr Wissen über transportable Barackenkonstruktionen ein. Die in Niesky entwickelte RAD-Konstruktion basiert auf einem Quadratraster, durch das die Anzahl der benötigten Bauelemente auf ein Minimum reduziert werden konnte. Über die für den Reichsarbeitsdienst entwickelten Standardtypen hinaus ermöglichte die dem Baukastensystem innewohnende Flexibilität individuelle Grundrisslösungen, die zudem noch nachträglich veränderbar waren. Die Baracken fanden zunächst in den Lagern des Reichsarbeitsdienstes und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt Verwendung. Später wurden diese Baracken für Zwangsarbeits-, Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager verwendet. Auch die Wehrmacht oder die HJ nutzten Baracken, die im Nieskyer Konstruktionsbüro entworfen und weiterentwickelt wurden.

Entsprechend ihrer Bedeutung für die Kriegsführung ließ die FOKORAD im Jahr 1940 in Niesky ein neues Bürogebäude in der Neuhofer Straße errichten. Das eher unscheinbare, eingeschossige Bauwerk existiert bis heute und stellt so ein Denkmal von herausragender historischer Bedeutung dar. Lokal ist die Geschichte des Gebäudes nur den wenigsten bekannt. Sobald aber Sanierungen vorgenommen und eine neue Nutzung zum Tragen kommt, wird eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Gebäudes in der deutschen, aber auch europäischen Geschichte erforderlich.

Die Tagung wird mitfinanziert durch Mittel des Freistaates Sachsen aufgrund eines Beschlusses des Sächsischen Landtags.

Um Anmeldung wird gebeten. Wenden Sie sich bitte an das Museum Niesky – Forum Konrad-Wachsmann-Haus.