Herrnhuter Brüdergemeine

Architektur und Bildungswesen

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war das Leben des Ortes maßgeblich von den Glaubensrichtlinien und Traditionen der Brüdergemeine geprägt. Die Herrnhuter Brüdergemeine ist eine kleine, selbstständige und weltweit verbreitete evangelische Kirche. Sie hat ihre Wurzeln in der vor über 500 Jahren aus der tschechischen früh-reformatorischen Hussiten-Bewegung entstandenen „Kirche der böhmischen Brüder“ und wurde 1722 durch Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf in Herrnhut neu gegründet. Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen hatten sich zusammengefunden, um getreu ihres Glaubens und ungeachtet ihres sozialen Standes in geschwisterlicher Verbundenheit miteinander zu arbeiten und zu leben.

Diese Idee setzte der Architekt Siegmund August von Gersdorf bei der Gründung von Niesky gestalterisch um. Noch heute ist die streng symmetrisch gegliederte Ortsanlage um einen zentralen, parkähnlichen Platz und sechs schnurgerade davon abgehenden Straßen erkennbar und funktionsfähig. Gersdorf prägte hier außerdem den schlichten, ländlich-barocken Baustil für die Gemeinschaftsbauten der Brüdergemeine weltweit. Die Platzanlage wurde 1991 nach historischem Vorbild saniert und 1996 in einem bundesweiten Wettbewerb zu einen der schönsten Plätze Deutschlands gekürt. Der Preis, eine wertvolle Keramikskulptur des Künstlers Friedensreich Hundertwasser, hat seinen Ehrenplatz im Johann-Raschke-Haus gefunden.

Schon wenige Jahre nach der Gründung etablierte sich Niesky zu einem bedeutenden Schulstandort mit Schulen unterschiedlichsten Typs. Bildung und Erziehung für Jungen und Mädchen war ein wichtiges Anliegen. Christliche Erziehung, verbunden mit umfassender humanistischer Bildung kennzeichnete das besondere Profil der Internatsschulen der Herrnhuter Brüdergemeine. Das Pädagogium war wegen seiner progressiven Lehrmethoden überregional bekannt und beliebt, so manche deutsche Adelsfamilie ließ ihre Kinder in Niesky ausbilden. Neben der Vermittlung wissenschaftlicher Kenntnisse in allen Fachgebieten beinhaltete das Lehrprogramm die Ausbildung handwerklicher Fertigkeiten sowie Sport und Bewegung an frischer Luft. Die Lehrer am Pädagogium verfassten zahlreiche philosophische und naturwissenschaftliche Publikationen. Von der Existenz der Internatsschulen profitierte fast zwei Jahrhunderte lang auch das wirtschaftliche und kulturelle Leben des Ortes.